Fachtag Hörpfade – eine Kooperation mit dem Bayerischen Volkshochschulverband und dem BR
„‚Ist der Herr schon in der Kapelle gewesen?‘ fragt ihn plötzlich eine alte Frau aus einer der Flüchtlingsbaracken. Erst jetzt bemerkt der fremde Besucher, dass hinter dem neuen Zaun, auf dem Gelände des früheren Appellplatzes, eine Kapelle steht“ – mit diesen Worten aus dem Bericht des ehemaligen Häftlings Nico Rost beginnt eine der Kleingruppen am Nachmittag ihre Präsentation. Mit verteilten Rollen gelesen zeigt sich plötzlich, wie gut der Text als Einstieg für einen Audiobeitrag zur Nachgeschichte des KZ-Geländes geeignet ist. Überhaupt nicken Teilnehmer_innen des Fachtags Hörpfade immer wieder zustimmend, als die verschiedenen Gruppen ihre Ideen für Audiobeiträge vorstellen und notieren sich Anregungen, die sie mit eigenen Gruppen in zukünftigen Hörpfaden umsetzen möchten.
Hinter dem Konzept Hörpfade verbirgt sich ein Projekt des Bayrischen Volkshochschulverbandes zusammen mit der Stiftung Zuhören und dem Bayerischen Rundfunk. Überall in Bayern beschäftigen sich dazu Gruppen – oft in Anbindung an lokale Volkshochschulen – mit der Geschichte ihrer Dörfer, Städte und Regionen und produzieren dazu Audioguides. So entstehen „Akustische Denkmäler für Lieblingsorte“, die dann auf einer „klingenden Landkarte“ gesammelt werden und z.B. direkt vom Smartphone aus abgerufen werden können.
Um mehr Gruppen zu ermutigen, sich mit dem Format auch mit der Zeit des Nationalsozialismus zu beschäftigen, haben wir unter dem Motto „Historische Themen sensibel bearbeiten“ am 7. Juni 2018 gemeinsam mit den Kooperationspartnern des Projekts einen Fachtag organisiert. 17 Teilnehmer_innen – teilweise schon erfahren in der Produktion von Audiobeiträgen, teilweise noch ganz neu dabei – sind dazu ins Max Mannheimer Haus gekommen. Schon bei der Vorstellungsrunde wird deutlich, wie unterschiedlich die Hintergründe der im Projekt involvierten sind – von auf Naturwanderungen spezialisierten VHS-Leiter_innen, über an der eigenen Firmengeschichte arbeitenden Personen, bis zu an Museen tätigen Historiker_innen reicht das Spektrum an diesem Tag. Um einen Einblick in die Vielfalt von in der historischen Bildungsarbeit produzierten Audiobeträgen zu geben, erzählt zunächst Elke Dillmann vom BR von ihren Erfahrungen aus Schulprojekten. Sie hat in den letzten Jahren vor allem mit dem NS-Dokumentationszentrum in München und Berufsschüler_innen Audioguides zur NS-Geschichte konzipiert und aufgenommen. Anhand ihrer Beispiele wird deutlich, wie unterschiedlich solche Beiträge gestaltet werden können. Von an klassische Radioformate erinnernde Formen, bis zu Hörspielen ist auch bei diesem Thema einiges umsetzbar.
Im Zentrum steht anschließend ein Workshop von Nina Ritz und Steffen Jost, die anhand des Beispiels Dachau zeigen, welche Themen sich ergeben, wenn die NS-Zeit auf lokaler Ebene betrachtet wird. Wir steigen ein mit einer Bilderübung, die den Blick auf die Durchdringung des Alltag im Nationalsozialismus und die Sichtbarkeit der Verfolgung von politischen Gegnern, Juden sowie Sinti und Roma lenkt. Anschließend teilen sich die Teilnehmer_innen in drei Gruppen auf und beschäftigen sich mit dem Verhältnis von „Stadt und Lager“ in Dachau. Anhand von ausgewähltem Quellenmaterial zur Darstellung des Konzentrationslagers in der Presse, Widerstandstätigkeiten in Dachau und dem Umgang mit dem Lagergelände bis zur Errichtung der Gedenkstätte sollen sie Vorschläge für Audiobeiträge erarbeiten, wie sie auch im Hörpfadeprojekt produziert werden könnten. Bei der anschließenden Vorstellung und Besprechung wird deutlich, dass vor allem die Reduktion der umfangreichen Quellenbestände und historischen Themen eine riesige Herausforderung darstellt. Aber auch der Umgang mit NS-Begriffen, deren Kennzeichnung und Brechung im Audioformat nicht einfach ist, wird intensiv diskutiert. Zum Abschluss stellt André Scharf vom Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau die Bestände der Einrichtung vor und gibt Einblicke in die Nutzungsmöglichkeiten für kommende Hörpfadeprojekte.