Seit einigen Jahren besteht eine aktive Kooperation des Max Mannheimer Studienzentrums mit dem Niederländischen Dachau-Komitee. Im Komitee sind Angehörige der zweiten und dritten Generation von NS-Opfern und Widerstandskämpfer_innen, die während der deutschen Besatzung aus den Niederlanden ins KZ Dachau verschleppt wurden, organisiert. Die Gruppe ist auch Teil des Internationalen Dachau-Komitees (CID), das 1955 von ehemaligen Häftlingen des KZ aus verschiedenen europäischen Ländern gegründet wurde. Das CID ist bemüht, die Geschichte des KZ Dachau an junge Menschen weiterzugeben, im Rahmen dessen unterstützen die Ländergruppen organisatorisch und finanziell Studienprogramme von Schüler_innen im Max Mannheimer Studienzentrum. Durch Vermittlung des niederländischen Komitees besuchen Gruppen von Jugendlichen aus Den Haag, Weesp und Amersfoort jährlich das Studienzentrum, um sich vor Ort mit der Lagergeschichte auseinanderzusetzen.

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenarbeit und auf Einladung des Niederländischen Dachau-Komitees reisten die pädagogischen Mitarbeiter_innen des Studienzentrums Anfang Oktober diesen Jahres in die Niederlande. Im Fokus der Reise standen sowohl die Fortbildung zur Geschichte der Niederlande im Zweiten Weltkrieg sowie der Umgang mit der Zeit der deutschen Besatzung seit 1945 beim Besuch verschiedener Gedenkorte und Museen als auch die Vertiefung der Kontakte zum Niederländischen Dachau-Komitee und zu interessierten Schulen. Wir wurden sehr herzlich von den Mitgliedern des Komitees empfangen und drei Tage lang umfassend betreut, was die Reise nicht nur zu einer äußerst interessanten und lehrreichen, sondern auch sehr schönen Erfahrung werden ließ.

Am ersten Tag in Den Haag besuchten wir verschiedene Orte, die an den brutalen Terror der deutschen Besatzung gegen Widerstandskämpfer_innen erinnern. Dazu gehört vor allem das von den NS-Gegner_innen als „Oranje Hotel“ bezeichnete Gefängnis, in dem Menschen bei „Verhören“ gefoltert wurden und das häufig die erste Station eines langen Leidenswegs durch verschiedene Lager war. In der Dünenlandschaft gegenüber des Gefängnisses wurden viele Widerstandskämpfer_innen von den deutschen Verfolgern erschossen – für die Angehörigen der Opfer wurde dieser Ort nach 1945 zu einem zentralen Gedenkort.

Am Nachmittag und Abend standen populärkulturelle Umgangsweisen mit der Geschichte im Vordergrund: Der Freizeitpark Madurodam wurde von den Eltern des jungen Widerstandskämpfers George Maduro, der Anfang 1945 im KZ Dachau gestorben ist, zu seinem Andenken gestiftet. In der Nähe von Den Haag wird seit sieben Jahren vor vollbesetzten Zuschauerrängen allabendlich das aufwendig inszenierte Musical „Der Soldat von Oranje“ gezeigt.

In Amsterdam am zweiten Tag stand zunächst die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung der Niederlande im Vordergrund. Thematisiert wird diese an verschiedenen historischen Stätten, die heute zu Gedenkorten und Museen umgestaltet sind: die Hollandsche Schouwburg, ein ehemaliges Theater, das die deutschen Besatzer zum Sammelplatz für die Deportation der Amsterdamer Juden umfunktionierten sowie das gegenüberliegende Holocaust-Museum; das Anne-Frank-Haus im ehemaligen Bürohaus und Versteck der deutsch-jüdischen Familie Frank, die 1944 verraten und deportiert wurde – nur der Vater Otto Frank überlebte.

Aus pädagogischer Perspektive sehr interessant war der Nachmittag im Widerstandsmuseum in Amsterdam. Eine Mitarbeiterin des Bildungsbereichs stellte uns den für Kinder gestalteten Teil des Museum vor sowie die für ab etwa 10Jährigen angebotenen Programme. Bei diesen beschäftigen sich die Teilnehmenden mit vier Biografien von Menschen, die als Kinder die deutsche Besatzung unterschiedlich erlebten: unter anderem ein Mädchen, das sich aufgrund der antisemitischen Verfolgung mit ihrer Mutter verstecken musste und die Deportation nach Auschwitz überlebte; der Sohn eines Pastors, der Verstecke für Juden und Jüdinnen sowie Widerstandskämpfer_innen organisierte oder die Tochter von Anhänger_innen der niederländischen nationalsozialistischen Partei NSB.

Ebenso war der Besuch der Gedenkstätte Camp Vught auf dem Gelände des ehemaligen KZ Herzogenbusch am dritten Tag aus pädagogischer Perspektive besonders spannend, weil die Referentin uns neben der Geschichte des Lagers viele Beispiele aus der Arbeit mit Gruppen  vorstellte. In einer vom Komitee organisierten Veranstaltung in der Gedenkstätte Amersfoort am Nachmittag waren  Lehrer_innen und weitere Interessierte eingeladen, sich über die Organisation von und die Angebote des Max Mannheimer Studienzentrums für Bildungsfahrten nach Dachau zu informieren. Dabei hatten wir nicht nur ein Forum, unsere Arbeit vorzustellen, sondern durch die Erfahrungsberichte von Schüler_innen, die bereits an Studientagen in Dachau teilgenommen hatten, bekamen wir sehr anregende Rückmeldungen zu unseren Programmen.

Das Dachau-Monument des Künstlers Niek Kemps wurde 1996 von Mitgliedern des niederländischen Dachau-Komitees in Amstelveen/Amsterdam errichtet. Es erinnert an die während der deutschen Besatzung in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportierten Menschen.